300 Jahre St. Jakobus in Wendelskirchen

Festvortrag vom 15. September 2002 von OStDir. Martin Hobmeier

(Veröffentlichung und Weiterverwendung auch in Auszügen ist nur mit Genehmigung des Verfassers möglich).

300 Jahre Kirche St. Jakobus in Wendelskirchen
300 Jahre Kirche St. Jakobus in Wendelskirchen

Vortrag

Hochwürdigster Herr Bischof, verehrte Geistlichkeit, Herr II. Bürgermeister, verehrte Angehörige der Expositurgemeinde, verehrte Gäste!

Vor ziemlich genau 300 Jahren, am 10. September 1702, wurde die neu errichtete Kirche von Wendelskirchen geweiht. Die Baugenehmigung war am 10. Mai erteilt worden. So schnell baute man damals keine Kirche. Der Baubeginn selbst war schon wesentlich eher erfolgt. Man hatte zahlreiche Maßnahmen auf eigene Faust vorgenommen, bevor Regensburg die endgültige Zusage gemacht hat. Es heißt in den Quellen, die alte Kirche sei abgetragen worden und man habe sie erweitert wieder aufgebaut.
In diesen Jahren des ausgehenden 17. und beginnenden 18. Jahrhunderts wurden sehr viele Kirchen im bayerischen Land barockisiert oder ganz neu gebaut, auch in unserer unmittelbaren Heimat:

  • St. Maria Himmelfahrt in Marklkofen 1703 (völlige Neurenovierung)
  • St. Mariä Himmelfahrt, die Stadtpfarrkirche von Landau 1713
  • St. Mariä Himmelfahrt in Hüttenkofen (heute Gem. Mengkofen) 1714
  • Wallfahrtskirche Dreifaltigkeitsberg entsteht 1710-1718
  • die Innenausstattung von St. Nikolaus in Rimbach stammt aus der Zeit um 1720
  • St. Mariä Verkündigung, Mengkofen 1722
  • St. Martin in Martinsbuch 1726
  • Ende des 17. Jahrhunderts werden einschneidende Veränderungen an St. Maria in Niederviehbach vorgenommen
  • St. Georg in Oberviehbach wird im frühen 18. Jahrhundert wesentlich verändert
  • 1732 soll St. Johannes Nepomuk in Thürnthenning errichtet worden sein.
  • In Göttersdorf wird um 1692 St. Elisabeth neu errichtet.
  • Die barocke Einrichtung von St. Leonhard in Weigendorf stammt wohl überwiegend aus dem ersten Viertel des 18. Jahrhunderts.

Die Bauwerke in unserer Heimat waren Ausdruck einer im süddeutschen Raum glanzvollen Epoche. Man hatte sich erholt vom Dreißigjährigen Krieg, die Türken waren erfolgreich abgewehrt worden.
Der Regensburger Kirchenhistoriker, Professor Karl Hausberger, ein Bauernsohn aus der Gegend von Egglkofen, nennt es ein Aufatmen nach langem Druck und Jahrzehnten der Mutlosigkeit, dies habe sich vor allem in der Baukunst gezeigt. „Ein harmonischer Zusammenklang von Religion und Politik, von gesellschaftlichen und kulturellen Werten, von Glaube und Wissen prägte das farbenfrohe Antlitz jenes barocken Bayern zwischen Dreißigjährigem Krieg und Französischer Revolution.“

Die Klöster- und die Klosterkirchen gingen hier vielfach voran:
Waldsassen, Speinshart, St. Florian bei Linz, St. Nikola in Passau, Kloster Banz usw.

Italiener wie Giovanni Battista Carlone oder Georg und Christoph Dientzenhofer seien genannt. In der Spätphase des Barock, dem Rokkoko, sollte die Kirchenbaukunst nochmals einen großen Höhepunkt erreichen (Gebr. Asam z.B.), aber hier wurde die religiöse Harmonie bereits durch den Geist der Aufklärung beeinflußt.

Die Volksfrömmigkeit wurde eingedämmt. Kurfürst Max III. Josef, schränkte (wie später Montgelas) allzu viele Wallfahrten, mehrtägige Bittgänge (Walter Hartinger hat dies nachgewiesen) ein.

Der Kirchenbau des 17. und 18. Jahrhunderts wurde vom Staat gefördert. Die Menschen haben aus Eigenleistung heraus große Opfer gebracht. Das Gotteshaus war geistiges und geistliches, religiöses Kraftzentrum. Es repräsentierte aber auch Bürgerstolz, Selbstbewusstsein der Region. Das Gotteshaus, der Pfarrhof, häufig war auch eine Ökonomie dabei, Kirchensteuer gab es noch nicht, beherrschte das Dorf.

Vom Pfarrer ging auch eine wirtschaftliche Kraft aus. Aus den Kirchenrechnungen wissen wir, dass man Geld geliehen hat. Die erste bayerische Bank war die Hypotheken- und Wechselbank, gegründet 1835.
Vorher gab es in Fürth eine jüdische Bank. Als die Klöster 1802/03 säkularisiert wurden, aufgelöst wurden, wollte man auf deren Guthaben zugreifen. Die meisten hatten es auf Wiener Banken deponiert, und die gestatteten dem Kurfürstentum Bayern keinen Zugriff.
Der Pfarrer war auch Bauer, häufig Modernisierungen eher aufgeschlossen als andere (so Alois Schmid). Der Pfarrer war Ortsschulinspektor, also Schulrat für den Dorfschulmeister, bis zum Ende des 1. Weltkriegs.
Einer der letzten Ökonomiepfarrer war Johann Kaspar von Binabiburg, der dem Papst bei seinem ersten Deutschlandbesuch 1980 den Gegenwert eines Stieres vermacht hat.

Die jahrelang kultivierte Rivalität zwischen Loiching und Teisbach geht zurück auf eine unterschiedliche gesellschaftliche Struktur: hier Bauern, mittlere und kleine Landwirte – dort überwiegend Handwerker und Händler. In Teisbach jedoch saß der Landrichter (Finanz-, Militär, Verwaltungshoheit, Gerichtshoheit in einem), dem die Gegend im Weltlichen unterstand.
In Loiching war der Pfarrer, geistlicher Herr, Ökonomiepfarrer, noch dazu nicht vom Bischof, sondern vom Domkapitel eingesetzt.

Die Pfarrökonomie mit ihren Bauten hatte drei Funktionen:

  • Eigene Landwirtschaft,
  • Entgegennahme des Zehent, der Naturalabgaben der Hintersassen, also der abhängigen Bauern,
  • Repräsentativbau zur Demonstration von Wohlstand und Ansehen.

Georg Wolfgang Wedl, der Pfarrer von Loiching, hat den Kirchenbau von Wendelskirchen vorangetrieben, die formalen und wirtschaftlichen Voraussetzungen organisiert. Der Wille, die Kraft, der Glaube und die finanziellen Leistungen der Filialkirchengemeine haben ihn ermöglicht.

Die Expositur wurde 1737 gegründet, ist also nicht 300 Jahre alt, sondern 265.

Die Tradition eines Gotteshauses in Wendelskirchen geht weit hinter 1702 zurück. Der Ortsname lässt eine sehr alte Kirche vermuten, wohl einen Holzbau, wie viele in der Gegend.

Die Möglichkeit, wie vielfach vermutet, daß die Kirche dem Hl. Wendelin geweiht gewesen sei (Patr. 20. Okt.), vor dem Hl. Jakobus dem Älteren (25. Juli), dürfte sehr unwahrscheinlich sein, obwohl der Hl. Wendelin als Patron der Hirten und Herden gilt. Patrozinien des Hl Wendelin kommen in unserer Gegend praktisch nicht vor. St. Jakob der Ältere kennt man als Schutzherrn für Pilger und Wallfahrer. Wir wissen den Grund für die Wahl des Patrons nicht.

Beinamen zur Nachsilbe – kirchen bezeichnen entweder die Lage des Ortes, Waldkirchen = am Wald, Aufkirchen, die hochgelegene Kirche. Oder man erinnert an den Gründer des Ortes: das heißt, ein Wendelger z.B. hätte dies getan.

1140 wird in der Chronik des Klosters Aldersbach ein Mönch Werinhardus de Wendelchirchen genannt. 1333 kann man ein Wendelgerschirchen finden, 1418 findet sich in einer Urkunde der Grafen von Frontenhausen der Ortsname.

Die sichere Nennung erste Nennung eines Gotteshauses liegt 140 Jahre später:
1558 wird in der ältesten im Landshuter Archiv vorhandenen Kirchenrechnung vom St.Jakobs-Gotteshaus von Wendelskirchen gesprochen.

Kirchenpröpste (Pfleger) waren ein Michael Stemer am Stemer, daher die Bezeichnung Stemmerer Höhe, außerdem ein Sigmund Zipfelmaier am Puechet (der große Buechtner).

Die Hauptreparatur in diesem Jahr war:
„ein Schlosse vom Khirchenschlißl abgerieben worden,
wider zerleten und vom Schloß wider anzeschlagen.“
Kosten: 1 Schilling, 1 Pfennig, 1 Heller.

1611 heißt es:
Das Glockengestell ist verfault und baufällig,
„so daß man sich besorget, die Glocken mechten
herundterfallen, derowegen solches sambt den
glockenhelmen von neuem miessen gemacht werden,
hierzu erkauft aichenes und ein zimmerholz.“

So kann man regelmäßig alle zehn Jahre die Kirchenrechnung überprüfen. Größere Ereignisse sind nicht verzeichnet. Es handelt sich um den Zustand des Gotteshauses, ein Verzeichnis über Einnahmen und Ausgaben.

Wendelskirchen zählte zu im Verhältnis besser ausgestatteten Filialkirchen. Schlechter ging es z.B. Piegendorf.
Leider hat man im Landshuter Archiv die Kirchenrechnungen aus Platzmangel nur für alle 10 Jahre aufgehoben.

Die Filialkirche wurde von einem der Loichinger Kapläne, dem Kooperator, betreut. Häufig gingen sie die Strecke zu Fuß, übernachteten im kalten Gotteshaus, über oder in der Sakristei.
Der Wunsch nach einem eigenen ansässigen Priester, einem Expositus, wurde schon 1597 erstmals schriftlich festgehalten.
Das Spenden der Sakramente, vor allem der Versehgang, geschah bei der Entfernung immer wieder sehr verzögert.
Man beschwerte sich, dass immer wieder Gottesdienste ausgefallen sind. Der Kaplan musste neben seinen geistlichen Verrichtungen in der Landwirtschaft kräftig mithelfen und war nicht immer abkömmlich. Die Beschwerde von 1597 ging über den Pfleger von Teisbach, Urban von Stinglhaimer, an den Bischof von Regensburg.
Die Reaktionen der Diözese und des Loichinger Pfarrers Johann Schwegler sind nicht bekannt. Eine Expositur wurde jedenfalls nicht errichtet.

Während des 30-jährigen Krieges hatte man sicherlich andere Sorgen. Besonders schlimm neben den Kriegseinwirkungen waren die Seuchen, vor allem eine verheerende Pestepidemie im Jahre 1634. Ganze Landstriche verödeten, die Agrarpreise waren enorm gefallen.

Noch 1631 hatte die alte Wendelskirchener Kirche einen neuen Hochaltar erhalten. Von einem eigenen Expositus war man damals weit weg:
Von 1637 bis 1642 etwa war in der ganzen Pfarrei Loiching, also Loiching, Teisbach, Wendelskirchen, dazu in Weigendorf, Gummering, Süßbach, von Gaubitzhausen bis Maierhof, ein einziger Kooperator. Der Loichinger Pfarrer war 1637 verstorben. Der Kooperator hat sich auch um Wendelskirchen gekümmert. Seinen Namen können wir nicht mehr ermitteln. Wüßte man ihn, müsste man dem Mann ein Denkmal setzen.

St. Jakob war 1640 sehr schadhaft: Turm, Sakristei, Langhaus waren baufällig. 1642 kam wieder ein neuer Pfarrer, Dr. Andreas Kiermayer, der viel renovierte. Später wurde er Stadtpfarrer von Pfarrkirchen.

Gegen Ende des Krieges (ab 1643/44) zogen kaiserliche und schwedische Truppen von der Donau her nach Landshut, nahmen mit, was nicht niet- und nagelfest war, mordeten, brandschatzten, plünderten, es war der sogenannte Kehrab des Krieges. Man nimmt mit, was man vor der Beendigung des Krieges noch bekommen kann.

Der Loichinger Pfarrer Richard Manghofer war im Auftrag des Bischofs Franz Wilhelm Graf von Wartenberg als eine Art Pfarrinspektor unterwegs, um im Süden des Bistums nach dem Rechten zu sehen.
Viele Priester wurden amtsenthoben (unfähige Personen hatten die Wirren des Krieges zur Amtserschleichung benutzt).
Manghofer hat auch den Zustand der Pfarreien beschrieben, auch den seiner eigenen:
Viel sei abgebrannt, sie könnten ihre Abgaben nicht zahlen, er sei der letzte, der ihnen (den Pfarrangehörigen) den letzten Heller nehmen wolle.
In Gummering konnte nicht einmal mehr die Kirchentür geschlossen werden. Er habe mit einem Strick die Tür zugebunden, damit die wilden Tiere nicht hineinkönnten.
„Sintemalen das ganze Dörflein thot, khein ainzig Mensch mehr wohnhaft da.“
Ähnlich sei es auf der Öd und in Massendorf.
In Wendelskirchen waren vor den Kehrab noch vorhanden:
ein guter Kelch, drei Meßgewänder, ein lidernes Antependium (Verkleidung der Vorderseite des Altars), 1 Altartuch und dergleichen, daß man Gottesdienst allda halten kann, 1 schöne Fahne, an aufliegendem Geld 600 fl., jetzt aber NIHIL (NICHTS) , wie bei anderen Kirchen.

Die Folgen des Dreißigjährigen Krieges hatte von den bayer. Rentämtern (eine Art Regierungsbezirk) am stärksten das Landshuter, wo wir dazugehörten, getroffen.
Die Einwohnerzahl Landshuts z.B. war von 12.000 auf 2.500 gesunken. In ganz Bayern waren 900 Orte niedergebrannt. Noch im Jahre 1745 lagen in Bayern 10.000 größere und kleinere Bauernhöfe öde und verwüstet.

Im Jahre 1666 erhält der Loichinger Pfarrer, der Krieg ist seit 18 Jahren zu Ende, von der Diözese die Mitteilung, dass drei Wendelskirchner Bürger in Regensburg gewesen seien und sich wegen fehlender Gottesdienste und schlechter Predigten beschwert hätten. Sie wollten einen eigen Kooperator, Manghofer hätte doch einen.
Manghofer schreibt an den Bischof (Adam Lorenz, Graf von Törring). Der Pfarrer argumentiert: Von 52 Sonn- und Feiertagen gingen 11 bis 12 weg, da die Kapläne die Weihegottesdienste in den übrigen Filialkirchen halten müssten. Ansonsten seien Gottesdienste in Wendelskirchen. Die Predigten seien nicht schlecht, die Kapläne predigten nach seinen Instruktionen. Für eine eigene Kooperatur fehlten der Pfarrei die Einnahmen. Und er schließt in seinem Brief vom 15. März 1666:
„Meine Herren Pauren zu Wendelskirchen zanken und greinen selbst miteinander, gibt einer dem andern die Schuld, daß er klagt habe. Es wird auch viel gerauft. Man wird so bald keinen mher in Regensburg sehehn und klagen hören.“
Da sollte sich der Herr Dekan aber gewaltig irren:
Die Wendelskirchner haben begleitend zu einer noch stärkeren Waffe gegriffen: Sie haben anscheinend den Zehent nicht mehr oder nicht mehr vollständig bezahlt (Naturalabgaben).
Es kommt, vermittelt durch den Dekan von Frontenhausen, zu einem Verhör von verschiedenen Bürgern aus W. (22) in Regensburg. Der Bischof erhält vom Führer des Verhörs, dem Domdekan, einen Brief, in dem es u.a. wörtlich heißt: „…verlangen des merer Theils … ganz halsstarrig… und gleichsambzusammengeschworn…einen bestendigen Caplan…“. Schließlich entscheidet man in Regensburg (Brief an den Loichinger Pfarrer):
An 26 Tagen im Jahr (also praktisch jeden zweiten Sonntag) solle von Loiching aus in Wendelskirchen Gottesdienst gehalten werden, und man solle es dabei bleiben lassen.
Die Beschwerden gehen weiter. Aus einem Brief des Manghofer an einen Studienfreund (Dr. Kaspar Riermeier, kurf. Rat und Dechant zu St. Peter in München) im Jahre 1669 geht hervor, worum gestritten wurde.
Manghofer hält einen eigenen Kaplan für W. nicht für notwendig, den die Kontribution (Einnahmen) sei zu gering. Er sei jetzt seit 1648 Pfarrer von Loiching, insgesamt stehe er 36 Jahre auf der Kanzel. Es sei Pflicht in W. Gottesdienste zu halten, außer an Tagen, an denen die ganze Pfarrei feiere. An den vier Quatembersonntagen müsse in Gummering, Süßbach, Weigendorf und Piegendorf Gottesdienst gehalten werden, es verblieben in Wendelskirchen 37 bis 38 Gottesdienste.
„Sie liefern den Zehent nicht ab, lassen ihn im Stadel liegen, bis er verfault!“
Aus dem Schreiben wird weiter deutlich, wogegen sich die Wendelskirchner erneut beschwert haben:
zu wenig Gottesdienste
am Ostertag zu wenig Kommunionmöglichkeiten
zu wenig Beichtgelegenheit während des Jahres
zu wenig Taufen, Begräbnisse und Krankensalbung
die Kirche ist im Winter zu kalt
Predigten nicht nach Glaubensartikel und Katechismus
Weg zur Loichinger Kirche sei zu lang
Manghofer weist alle Vorwürfe zurück.
Die Krottenthaler, Göttersdorfer, Pischelsdorfer, Maierhofer hätten nach Wendelskirchen weiter als nach Oberviehbach und Gerzen.
Dann kommt wieder das finanzielle Argument:
Vor Zeiten habe man aus W. 1600-1700 fl. Einnahmen gehabt, jetzt um 700-800.
Zwei neue Kapläne (auch in Teisbach war man zu der Zeit sehr rebellisch) könne man sich nicht leisten.
Die Wendelskirchner wenden sich an den Pfleger von Teisbach, der hilft ihnen zwar nicht direkt, meint aber, dass die Sache mit dem nicht abgelieferten Zehent ein sehr wirksames Druckmittel sei, denn wenn der Loichinger Pfarrer keinen Zehent von Wendelskirchen bekomme, liefere er auch keinen Anteil beim Domkapitel in Regensburg ab.
Pfleger Öxl wendet sich mit einem Brief an den Bischof von Regensburg.
Manghofer erhält den Befehl, den W. einen eigenen Kaplan zu geben. Er beklagt sich, wie böse die W. mit ihm umsprängen. Er sei jetzt des Streites müde und sattle bald sein Pferd. Das heißt, er wolle in den Ruhestand. Es ist möglich, dass jetzt häufiger Gottesdienste in Wendelskirchen waren. Ein eigener Kaplan ist in Wendelkirchen aber nicht nachweisbar. Loiching selbst scheint in den Folgejahren auch nur einen Kaplan besessen zu haben.
Vom Temperament her war Manghofers Nachfolger Georg Lueger wohl nicht gewillt, weiter entgegenzukommen. Er hatte ja bereits 1695 Teisbach zur Expositur machen müssen. Weitere Zugeständnisse wollte er nicht, oder konnte es sich nicht leisten.
1696 kam nach Loiching Dr. Georg Wolfgang Wedl, einer der größten Wohltäter der Pfarrei, der bis 1731, 35 Jahre als Pfarrer wirkte.
So sahen die Herrschaftsverhältnisse zu seiner Zeit aus:
Bischof von Regensburg war der Wittelsbacher Joseph Clemens, Herzog von Bayern.
Adels- und Fürstensöhne wurden mit Bischofssitzen bedacht, der älteste Sohn war in der Regel Erbe und Nachfolger des Vaters. Die eigentliche geistliche Arbeit in der Diözese erledigte der Koadjutor. Die Diözese war der geistliche Herrschaftsbereich, das Hochstift das weltliche Gebiet, in dem der Bischof wie ein weltlicher Fürst regierte. Die Diözese reichte vom Egerland bis an die Rott, im Westen bis kurz vor Ingolstadt, im Osten bis Westböhmen mit der Grenze zum Bistum Budweis.
Das Hochstift war klein: Hohenburg, Donaustauf und Wörth, in Regensburg gehörte dem Bischof fast nichts. Das Hochstift Passau z.B. umfasste den späteren Landkreis Wolfstein, gewaltig war das Gebiet des Hochstifts von Salzburg, weitab vom eigenlichen Gebiet gehörte auch Mühldorf dazu.

Im Kurfürstentum B. regierte Kurfürst Max II. Emanuel 1679 bis 1726, verwickelt in zahlreiche Kriege, während des Span. Erbfolgekrieges war er u.a. Statthalter in den Niederlanden, erstrebte die Königswürde für seine Person, dafür war er bereit, einen hohen Preis zu zahlen, bei Verhandlungen mit Ludwig XIV. ging er soweit, Bayern mit Neapel-Sizilien zu vertauschen. Andererseits förderte er die Künste, und die Errichtung vieler Kirchen – auch Dorfkirchen – ging auf seine Regierungszeit zurück.

Zurück in die Heimat.
In Teisbach saß als Pfleger und Landrichter von 1667 bis 1706 Konrad Bartholomäus Oexl, den ich schon erwähnt habe. Dieser hatte sich in den Streit um die Teisbacher Expositur sehr zurück gehalten. Der Streit war von Pfarrer Lueger und den Teisbachern hart geführt worden, der Pfarrer hatte u.a. den aufmüpfigen Teisbachern einmal die Fronleichnamsprozession gestrichen oder kein Heiliges Grab aufgebaut.
Letztlich wurde er von Regensburg zur Errichtung einer Expositur Teisbach gezwungen. Ein Kooperator musste in Teisbach Wohnung nehmen. Auch das geschah sehr zögerlich und mit Streitereien.

In Wendelskirchen sah man wohl, was die Teisbacher erreicht hatten. So war die Entscheidung des Dr. Georg Wolfgang Wedl, die Kirche in Wendelskirchen neu zu errichten, auch eine politische, um Ruhe in die Pfarrei, in die Filialkirchengemeinde zu bringen. Er stiftet für Loiching das sogenannte Wedl’sche Benefizium, wodurch ein zweiter Kaplan für Loiching auf ewige Zeiten finanziert werden sollte. Das hat natürlich auch auf Wendelskirchen Einfluss.

Die baufällige alte Kirche in Wendelskirchen wurde abgetragen, man begann auf eigene Faust, die Bauleitung hatte Maurermeister Johann Androy von Stadtamhof (bei Regensburg). Unter großer Mithilfe der Bevölkerung wurden 232 fl. (fl. = Gulden) gesammelt, die gesammelten Materialien machten zusätzlich 561 fl. Gulden aus. Zum Vergleich: Das Jahresgehalt eines Kooperators betrug ca. 15 fl. Es gab Zuschüsse von der Regierung, von der Diözese, der Pfarrei. Der Maurermeister gab an, mit seinen Leuten 995 Stunden gearbeitet zu haben.
Pfarrer Wedl rechnete mit spitzem Bleistift und stritt sich mit dem Maurermeister noch drei Jahre um 33 Gulden. Ca. 25 Briefe gingen hin und her, als Schlichter trat schließlich das Domkapitel auf.
Am 10. Mai 1702 war die Baugenehmigung für eine Kirche erteilt worden, die zum großen Teil schon fertig gewesen sein muss. Am Sonntag, den 10.September 1702, dem 13. Sonntag nach Trinitatis (nach Pfingsten), wurde sie feierlich eingeweiht. Wer die Weihe außer Pfarrer Wedl vornahm, wissen wir nicht.

Aus der Zeit des Pfarrers Wedl kann berichtet werden, dass er mit den Wendelskirchnern in bestem Einvernehmen war, dass er die Gottesdienste regelmäßig versah. Er geleitete die Pfarrei sicher durch die Unbilden des Span. Erbfolgekrieges, der ja u. a. 1705/1706 in Altbaiern zu Bauernaufständen geführt hatte. Österr. Truppen haben unser Gebiet häufiger heimgesucht.

Der Nachfolger von Dr. Wedl, Franz Anton Seiz, war nur fünf Jahre Pfarrer, er starb am 29. Mai 1736. Bereits am 1. Juni wenden sich die Bürger Franz Pleybrunner und Franz Nestler als Beauftragte der Kirchengemeinde zu Wendelskirchen, an den Bischof von Regensburg. Sie bitten um einen eigenen Expositus und schlagen gleich den Kaplan Johann Franz Schmidt vor, der sie schon öfter betreut habe.
Warum wählen die Wendelskirchner den Zeitpunkt unmittelbar nach dem Tod des Pfarrers?
Loiching war eine der größten, und auch eine der reichsten Landpfarreien der Diözese. Es handelte sich um eine Pfarrei, deren Einkünfte als Grundherrin dem Domkapitel zufielen (Zehent). Allein in Loiching war man Eigentümerin von 22 Anwesen. Ein Pfarrer der amtiert, ist nicht so leicht umzustimmen. Einem Pfarrer, der sie erst bekommen soll, kann man ggf. Bedingungen stellen. Das heißt, das bischöfl. Consistorium und das Domkapitel machen dies.
Eine Expositur bedeutete für die Hauptkirche sicherlich einen Einnahmeverlust. Für einen neuen Pfarrer war Loiching aber immer noch lukrativ genug.
Kurz und gut, nach intensiven Verhandlungen, einer Stellungnahme des Dekans von Dingolfing, des Dekans von Amberg, der früher Kaplan in Loiching war und eine Karte mit Entfernungen zeichnet, des Pflegers von Teisbach, der Wendelskirchen unterstützt, schließlich stimmt der künftige Pfarrer von Loiching, Josef Pauer, zu.
Mit Consistorialresolution vom 20. März 1737 wird Wendelskirchen zur Expositur erhoben.

47 Priester übten seit dieser Zeit das Amt des Expositus aus: von Johann Franz Schmidt bis Albert Menhart. Eine Reihe davon hat hier die letzte Ruhestätte gefunden. Die meisten waren nur wenige Jahre im Amt, 4-5 Jahre etwa.
13 Jahre wirkte Michael Gebhard von 1908 bis 1921, ebenso Georg Grötzinger von 1947-1960, der zu unserer großen Freude heute anwesend ist. 23 Jahre war Thomas Schöls da, von 1934 bis 1947. Und weitaus am längsten Albert Menhart, 1960 bis 1989, fast drei Jahrzehnte, Ehrenbürger der Gemeinde Loiching. Der einzige lebende Ehrenbürger der Gemeinde Loiching, Altbürgermeister Max Haslbeck ist ebenfalls anwesend und gibt uns die Ehre. Heute betreut der Pfarrer von Loiching, Josef Forstner, die Expositurgemeinde, gewissermaßen als Expositus h.c., ehrenhalber.

Die Expositurgemeinde hat eine lange und wechselvolle Geschichte, von der anekdotenhaften Geschichte über den Bierausschank einerseits (nachweisbar wurde vom Expositus – es gab kein Wirtshaus in Wendelskirchen – von 1754 bis 1816 Bier ausgeschenkt, seit 1786 mit oberhirtlicher Genehmigung), andererseits gab es eine Zeit, in der Geistliche aus politischen Gründen einen schweren Stand hatten, verhöhnt und bedroht wurden, so Expositus Ludwig Fischl beim sogenannten Haberfeldtreiben vom 7. auf den 8. Juli 1933, mit Spottgesängen, Sachbeschädigung. Anführer, so die Regierung, nach einer Dienstaufsichtsbeschwerde Fischls, sei ein Lehrer aus der nächsten Umgebung gewesen, Die Regierung stellte das Verfahren jedoch ein, der Lehrer erhielt eine Rüge, weil man sich als Vorbild der Jugend nicht in der Nacht herumtreibe. Fischl verließ ein Jahr später die Gemeinde und ging nach Lederdorn. Er war übrigens leidenschaftlicher Motorradfahrer und stellte letztendlich seinen Wendelskirchnern doch ein gutes Zeugnis aus.
Der Vorfall von 1933 stellt wohl eine Ausnahme dar. Die Priester der Expositur genossen in der Bevölkerung hohes Ansehen, und in ihrer Sorge für das Gotteshaus wurden sie immer tatkräftig mit handwerklichem Geschick, mit finanziellen Mitteln oder bei Verhandlungen mit den zuständigen Stellen unterstützt.

1816 wurde im Pfarrhof eine Schule eingerichtet.
Seit 1802/03 gab es schließlich die Schulpflicht für die sogenannte Trivial-/oder Volksschule im Kurfürstentum (später Köngreich) Baiern.
Georg Kollmannsberger trug Sorge für eine bessere Ausstattung der Kirche, z.B. durch eine Orgel, das Kuppeltürmchen wurde durch einen spitzen Turm ersetzt.
1851 sorgte Johann Georg Michel für neue Glocken, für Renovierung u. a. der Sakristei, 1853 zogen vier neue Heilige in die Kirche, man hatte sie von der Pfarrei Frontenhausen käuflich erworben: Johannes Nepomuk, Johannes Ev., Johannes der Täufer, Franz Xaver.
Georg Lecker sorgte in den wenigen Jahren seiner Amtszeit (1863-66) für eine gründliche Renovierung, für Neuanschaffung eines Kreuzweges.
1872 wurde ein Schulhaus errichtet, also Trennung von Schule und Expositur.
1891 wurde die Kirche innen und außen gründlich renoviert, Johann Baptist Kühner wurde unterstützt vom Loichinger Pfarrer Dr. Johann Kumpfmüller

Ich gehe jetzt nicht ein auf die zahlreichen Reparaturen und Erneuerungsmaßnahmen nach dem II. Weltkrieg und in den letzten Jahren, da wissen viele der hier Versammelten besser Bescheid als ich. Man hat mit großem Engagement und Aufwand dieses prächtige Kleinod erhalten und gepflegt.
Der Pfarrer, der Expositus war/ist nicht nur Geistlicher, Seelsorger, sondern auch angesehener, kenntnisreicher Bürger, Akademiker, der sich in Wort und Schrift auskennt, der in vielen weltlichen Dingen Rat und Hilfe geben kann.
So war Expositus Johann Baptist Bäuml Initiator und dann Rechner des Raiffeisenvereins im Jahre 1896.
Hilfe beim Schriftwechsel mit Behörden, Schlichter bei Streitigkeiten, bei Erbauseinandersetzungen usw. waren häufige Hilfsdienste des Expositus für ihm anvertraute Gläubige.

Verehrte Anwesende,
die Geschichte einer Kirche einer Kirchengemeinde ist ein Wechsel von Freud und Leid, von Zeiten des Wohlstandes und auch der Not. Ein Gotteshaus spiegelt wider, wie es den Menschen in einer bestimmten Epoche ergangen ist. So mag eine teure Skulptur in Zeiten des Zufriedenheit und Prosperität von ihrem geistigen Hintergrund, dem Motiv der Beschaffung vielleicht weniger wert sein als eine einfachere Figur, die man sich in Notzeiten noch leisten konnte.
So wie 100 Euro des betuchten Geschäftsmannes objektiv zwar mehr sind als die 5 Euro der armen Rentnerin, subjektiv steckt kann hier jedoch ein ganz anderes Opfer, eine andere Einstellung dahinterstehen. Die Geschichte lehrt uns. dass wir in guten Zeiten nicht übermütig werden sollen, in schlechten aber auch nicht verzagen sollten.
Wenn man längere Zeit aus der Heimat weg ist, sei es auch nur zu einem ausgedehnterem Urlaub, dann weiß man die Schönheit der Heimat wieder eher zu schätzen als vorher.
Wahrzeichen, unverkennbares Merkmal ist die Kirche, nahezu gleichgültig, aus welcher Himmelsrichtung man kommt. Der Turm grüßt den Ankömmling oder verabschiedet den Scheidenden. Er erinnert aber auch, dass es über das Materielle hinaus etwas Wichtigeres gibt.
Als die Kirche 1702 barockisiert wurde, war sicherlich die Geisteshaltung des Barock im Hintergrund. Genieße das Leben, das Diesseits. Glaube ist auch etwas Fröhliches, Offenes. Dies zeigen Farbe und Bewegung in der Kunst. Barock kommt aus dem Italienischen „barocco“, was so viel bedeutet wie „schiefrund“, weg von der Strenge der Renaissance, der Gotik , der Romanik. So sehr er dem Diesseits zugewandt ist, so wenig vergisst der barocke Mensch das Jenseits. Leben und leben lassen, unter dem Segen des Herrgotts. Das ist ein altbairisches Motto, das wohl auch in die Barockzeit gepasst hätte. So ist der Geist von 1702 in gewisser Weise heute noch lebendig.


Beitrag veröffentlicht

in

,

von

Schlagwörter: